Wohnungen zu finden, noch dazu bezahlbar, ist nicht nur ein Phänomen der heutigen Zeit. Mit der Industrialisierung, insbesondere in der sogenannten „wilhelminischen Ära“ herrschte in Deutschland im öffentlichen Wohnungswesen ein permanenter Notstand. Im Jahr 1847 gründeten sich die ersten gemeinnützigen Baugesellschaften. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierten sich die Baugenossenschaften.
Nach dem ersten Weltkrieg waren Wohnungen auch in Erbendorf Mangelware. Der Stadtrat attestierte im Frühjahr 1919 eine „erhebliche Wohnungsnot.“ Ein Grund hierfür war die wiedererstarkende Industrie. Das Erbendorfer Bergwerk suchte ebenso Arbeiter wie das Specksteinwerk. Nicht zuletzt kamen einige Neubürger aus dem von Frankreich annektierten Elsaß-Lothringen nach Erbendorf.
„Hilfe zur Selbsthilfe.“ Diesem Gedanken nahm sich der Schreiner und Stadtrat Peter Hammer sowie weitere wohnungssuchende Bürger an. Sie hatten die Absicht, eine Baugenossenschaft ins Leben zu rufen, um mit der Erbauung mehrerer Familienhäuser die Wohnungsnot etwas zu lindern. Am 7. Dezember 1919 war es dann soweit: Gründungsversammlung der Gemeinnützigen Baugenossenschaft G.m.b.H. Erbendorf. 38 Mitglieder erklärten ihren Beitritt zur Genossenschaft
Bereits drei Wochen nach Gründung, am 28. Dezember 1919, beschloss die Genossenschaft den Bau von vier Doppelwohnhäusern am Bergwerk, für die die Stadt Erbendorf den Baugrund stellte. Da damals das Eigenkapital fehlte, übernahm die Stadt auch eine Bürgschaft über 10.000 Mark. Auch das Bergwerk gab ein Baudarlehen in Höhe von 20.000 Mark. Bereits 1920 konnten 8 Wohnung, denen bis 1924 noch weitere 16 folgten, bezogen werden.
In der schwierigen Zeit der Inflation zu Beginn der 1920er Jahre folgte die Planung und Realisierung von zwei weiteren Mietswohnhäusern am Hauxdorfer Weg und in der Ringstraße. Schon 1925 bot die Gemeinnützige Baugenossenschaft 39 Familien mit insgesamt 186 Personen Wohnraum.
Eine schwere Zeit machte die Baugenossenschaft in den 1930er Jahren durch. Um sich wirtschaftlich wieder auf gesunde Beine zu stellen wurden im Kriegsjahr 1941 sämtliche acht Doppelhäuser am heutigen Peter-Hammer-Weg an Mitglieder der Genossenschaft verkauft.
Vor allem nach dem 2. Weltkrieg wurde Wohnraum wieder zur Mangelware. Nach der Währungsreform 1948 entstanden bereits ein Jahr später zwei Zweifamilienhäuser in der Thanner Straße. 1950 folgte ein Miethaus für 14 Familien an der Turngartenstraße. In der gleichen Straße 1951 zwei weitere Sechsfamilienhäuser.
Am Hoinzenweg entstanden ebenfalls im Jahr 1951 14 Wohnungen in 7 Eigenheimen. Eine weitere große Baumaßnahme der Baugenossenschaft erfolgte in den Jahren 1952/53. An der Bergwerkstraße, der heutigen Hans-Müller-Siedlung, entstanden Wohngebäude mit 24 Wohnungen, zu denen zwei Jahre später, 1955, noch weitere 14 Wohnungen hinzukamen.
In den 1960iger Jahren investierte die Baugenossenschaft in neue Mietshäuser an der Mühlgasse sowie Josef-von-Eichendorff-Straße und im damals neuen Baugebiet Schloßzelch. Auch errichtete sie zum Verkauf bestimmte Reihenhäuser.
1992 erfolgte unter anderem die Fertigstellung des Mietwohnhauses in der Lindenstraße. Die letzte große Baumaßnahme der Baugenossenschaft konnte in diesem Jahr ihrer Bestimmung übergeben werden. In der Stadtbadstraße entstand im sozialen Wohnungsbau ein Mietwohnhaus mit insgesamt 14 behindertengerechten Wohnungen.
Im Jubiläumsjahr stehen im Eigentum der Genossenschaft 18 eigene Mietwohnhäuser mit 111 Wohnungen sowie 32 Garagen und 21 Kfz-Stellplätze sowie einem Büro. Derzeit zählt die Genossenschaft 298 Mitglieder mit 313 Geschäftsanteilen.
Die positive Entwicklung der Gemeinnützigen Baugenossenschaft ist vielen maßgeblichen Personen zu verdanken, die als Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in den vergangenen 100 Jahre ehrenamtlich tätig waren. Zu nennen ist hier vor allem der Mitbegründer der Genossenschaft, Peter Hammer, der von 1919 bis 1930 als Vorstandsvorsitzender die genossenschaftlichen Ziele vorantrieb.
Beinahe sein ganzes Leben widmete sich auch Bundestagsabgeordneter a.D. Hans Müller der Arbeit in der Baugenossenschaft. Als Vorstandsvorsitzender ab 1930 sowie nach dem zweiten Weltkrieg und als Aufsichtsratsvorsitzender bis zu seinem Tod 1974 trug er maßgeblich an der Entwicklung der Genossenschaft bei.
Beiden großen Männern wurden in den 1960er Jahren Ortsstraßen gewidmet: Die „Hans-Müller-Siedlung“ und der „Peter-Hammer-Weg.“ Nicht vergessen sind auch diejenigen, die in der jüngeren Geschichte die Weichen für die Zukunft stellten. So beispielsweise Vorstandsvorsitzender Franz Herschmann, allen bekannt als Rektor der örtlichen Volksschule, sowie der ehemalige Bürgermeister Rudi Trastl, der Jahrzehnte als Aufsichtsratsvorsitzender tätig war.
Seit 1999 haben Dieter Döppl als Vorstandsvorsitzender und lange Jahre Willi Müller als Aufsichtsratsvorsitzender die Zügel in der Hand. Sie haben nicht nur den Neubau in der Stadtbadstraße auf den Weg gebracht, sondern in den vergangenen zwei Jahrzehnten sämtliche Wohnungen der Zeit entsprechend saniert.